Zeiss Feldstecher 24886 (Baujahr 1900)
Zeiss hat mit seinen ersten Feldstecher etwas ohne Vorbild gebaut und dafür präzise Technik aus dem Mikroskopbau übernommen bzw. adaptiert. Es sollte ein gut funktionierendes, hochwertiges Instrument entstehen. Das kommt auch äußerlich in der Stimmigkeit von Form und Funktion, in Einfachheit, und Zweckmäßigkeit der kompakten Bauart zum Ausdruck.
Bild links: Gehäuse mit 2-geschossigem Aufbau und angeschraubten Rahmen. Bild rechts: Massiver Gehäusedeckel mit Mittelsteg als Prismen-Wiederlager.
Von Produktionsbeginn 1893 bis Produktionsende des ersten Zeiss Feldstechers 1907 gab es viele kleine Verbesserungen und Veränderungen. Das Erfolgsmodell des Ur-Feldstechers wurde aber insgesamt etwa 13 Jahre hergestellt. Es unterscheidet sich von späteren Ferngläsern vor allem durch die hohe Präzision und Bauqualität und die für den geringen Objektivquerschnitt sehr lange Objektivbrennweite mittels 'doppelstöckiger' Prismenanordnung.
Collage aus dem Zeiss - Patent mit 2-stöckige Anordnung der Prismen (blau). Der Abstand der Prismensitze beträgt im gebauten Feldstecher ca. 27 mm. Bei gleicher Brennweite und normaler, einstöckiger Prismenanordnung wäre das Feldstechergehäuse noch um ca. 50 mm länger.
Der Zeiss Feldstecher hat eine gute Abstimmung zwischen Streulichtaufhellung und noch ausreichendem Kontrast / Detailerkennung. Der leichte, etwas blasse, fast transparente Seheindruck kann überzeugen. Selbst bei schlechteren Lichtverhältnissen ist das Bild noch recht hell. Es wirkt unverstellt, echt, wahr, konzentriert, auch wenn das Einblickverhalten mit 2,5 mm Austrittspupille empfindlich ist und man sich an das Bild erst gewöhnen muss. Vertikale und horizontale Linien bleiben auch im Randbereich des Fernglasbilds fast gerade. Ganz am Rand kippt das Fernglasbild dann ab. Das Glas spielt in einer ganz eigenen Klasse. Abgesehen von dem kleinen Sehfeld (4,6°) ist der Bildeindruck stimmig, zeitlos.
Prismen alter Feldstecher sind gelegentlich schadhaft, aber so einheitlich gefertigt, dass ein Ersatz meist keinen Nachteil hat. Die Prismen waren seitlich geschwärzt. Zur Fixierung der Prismen war ein Korkstreifen gegen den Gehäusedeckel eingelegt.
Nach Demontage von alten Zeiss Gläsern wird deutlich, man hat es mit Fein-mechanik zu tun. Bei den Nachfolgemodellen ab 1907 wurde konsequent andere Technik eingesetzt mit deutlich größeren 'Spiel' und Toleranzen an Teilen die nicht so präzise sein brauchten. Alleine die spätere Exzenterjustierung öffnete Spielräume mit der geringere Präzisionen ausgeglichen und Kosten eingespart werden konnten.
Zeiss Telact und Zeiss Feldstecher 8x20. Das deutlich größere Telact nimmt mit seinem 2- stöckigen Gehäuseaufbau noch eine Zwitterstellung zwischen alter und neuer Bauform (ab 1907) ein. Im Gegensatz zu dem ersten Zeiss Feldstechermodell hatte das Telact eine angegossene Brücke. Damit entstanden für den empfindlichen 2-stöckigen Prismenaufbau höhere Präzisionsanforderungen an Guss und Gehäusebearbeitung. Tatsächlich scheint es Probleme gegeben zu haben. Beim Telact wurden nicht nur breite Exzenter-Justierringe eingebaut, auch die Augenmuscheln beschneiden das Fernglas stärker als notwendig. (Das Telact ist mit gekürzten Augenmuscheln relativ weitwinklig). Schließlich wurde das ausge-zeichnete Fernglas schon 7 Jahre nach Produktionsbeginn 1914 wieder aus dem Programm genommen.
Bild links: Gehäuse Zeiss Feldstecher 8x20 (46585). Bild rechts: Gehäuse Telact 8x24
Auffälligkeiten an Zeiss Feldstechern bis 1907:
Die Gewinde von Objektiv und Okularstutzen sind kurz und sehr fein.
Das Aluminiumgehäuse ist anfällig auf Korrosion durch Feuchte. Bei einzelnen Feldstecher gibt es starke Ausblühungen unter der Belederung, mitunter auch im Gehäuse bis in die Prismensitze. Bei
korrodierten Gehäusen sind die präzisen Feingewinde der Objektive kaum mehr zu lösen.
Die eingebördelten Objektiv- und Auglinsen sind ganz präzise ohne Spiel und ohne Dichtmittel verbaut.
Die Gewinde der Gewinderinge der Feldlinse (Okular) sind viel zu fein und zu empfindlich. Bei manchen Gläsern sind sie nicht mehr vorhanden oder kaum öffenbar. Mit etwas Schleifpaste und
'Fingerspitzengefühl' kann man sie nach Ausbau ggf. wieder gangbar machen.
Das Kronglas der Prismen und Linsen hat einen starken Spiegelglanz.
Objektiv Feldstecher 46585 (Baujahr 1902) demontiert. Objektiv ausgebaut und Achromat geteilt. Auffällig sind die dicken Objektivlinsen. Sie blieben auch beim Nachfolger, dem Telact 8x24 ähnlich stark.
Okular Feldstecher 46585 (Baujahr 1902) demontiert (spätere Bauweise). Auglinse ausgebaut und Achromat geteilt.