Alterung von Ferngläsern - Neuverkittung u. Nachpolieren

Ferngläser altern, selbst ein gut erhaltenes, Glas zeigt nach einigen Jahr-zehnten Alterungsspuren. Selbst früher einmal abgedichtete Ferngläser haben nach 50, oder spätestens 80 Jahren eine Trübung. Hinzu kommen Kratzer oder Wischspuren an Okularen und Objektiven, meist auch Spuren mechanischer Beanspruchung, kleine oder größere Dejustierung. Nicht selten wurde Hand an das Fernglas gelegt, oft mit bleibenden Arbeitsspuren und neuen Mängeln. Hier ein Fernglasbeispiel, wohl aus den frühen 30er Jahren.

Gebraucht erworbenes Huet Trinotix 8x30, Mod. 1930 mit sichtbaren Mängeln:  Okular / Okularstutzen wurde ohne lösen der Sicherungsschräubchen versucht herauszudrehen.

Zangenspuren am zusammengedrücktem Okularstutzen. Die Auglinse ist kaum verkratzt. Glasteile sind intakt, zeigen aber Verschmutzungen.

Auch von der Objektivseite deutlicher Beschlag an Glasoberflächen aber ohne Schäden (Bild links und mitte). Bild rechts: Von Objektivseite nach Reinigung und neuer Verkittung.

Hilfreich ist das Fernglas vor der Instandsetzungsarbeiten genau anzusehen:

 

Sind Hersteller, Typ, Vergrößerung, Seriennummer erkennbar?

Über Fabrikat, Typ und Seriennummer lassen sich häufig Einzelheiten zum Fernglas im Internet recherchieren.

Gibt es Auffälligkeiten?

Sind Teile herausgedreht? Fehlen Teile oder Schrauben?

Gibt es Pilzspuren oder stärkere Trübung / Verschmutzung im Fernglas inneren?

Gibt es Fall- oder Schlagspuren (eingedellte Objektivkappen)?

Zeigen die Deckelschrauben Arbeitsspuren?

Klappert etwas beim Schütteln?

Ist die Mechanik funktionsfähig (keine leer drehende oder feststeckende Teile)?

Sind Teile verbogen (Mitteltrieb)?

Wie weit ist die Fernglasfunktion beeinträchtigt?

Sind die Austrittspupillen (Augseite) rund, zeigen sich Auffälligkeiten?

Ist Kollimation vorhanden?

Wie kann fehlende Kollimation hergestellt werden (Justiervorrichtung vorhanden)?

Haben Objektiv oder Okular Putzspuren oder sind sie verkratzt? ist die Vergütung intakt?

Wie ist der Blick von der Objektivseite auf ein beleuchtetes weißes Blatt und wie in eine Lichtquelle? Sind die Prismen schadenfrei?

Wie ist der Blick mit einer Lupe auf auf die Austrittspupille (Beleuchtung von Objektseite)? Ist die Pupille rund? Ist die Pupille eine Ellipse (wahrscheinlich falscher Prismensitz)? Ist die Pupille viereckig (ggf. weniger hochwertige BaK7 Prismen)? Gibt es Nebenpupillen, innere Reflektionen (Mondsichel förmige Lichtfläche neben Pupille beim Fernglas schwenken, oder helle Schimmer um Pupille = Streulicht)?

Wurde das Fernglas schon geöffnet?

Wie kann das Fernglas geöffnet werden?

Sind Sicherungsschrauben vorhanden?

An Militärgläsern gibt es im Gehäuse häufig kleine, oft mit geschwärztem Wachs überdeckte Sicherungsschrauben für Okular- und Objektivstutzen sowie an Objektiv und Okular selbst.

Ist das Fernglas gedichtet / verpecht?

Ist evtl. eine Erwärmung von Bauteilen zur Öffnung notwendig (Verkittungen sind wärmeempfindlich)?

Welche Werkzeuge sind notwendig oder müssen ggf. selbst angefertigt werden?

Sind Ersatzteile notwendig?

Macht es unter Abwägung von Vor- und Nachteilen Sinn das Fernglas überhaupt anzufassen (zu öffnen bzw. instand zusetzen)?

Ein zunächst wenig auffälliger aber wichtiger Gesichtspunkt ist der Zustand der Verkittungen von Aug- und Objektivlinse. Zur Aufhebung oder Minderung der chromatischen Aberration (unterschiedliche Brechung sichtbaren Lichtes von blau bis rot) sind mehrere Fernglaslinsen als Achromate, also als zwei inein-ander passende Linsenteile unterschiedlicher Glassorten hergestellt. Die Verkittung oder Verklebung der Achromate wurde vom 18. Jh. bis in die zweite Hälfte des 20. Jh. mit Kanadabalsam, einem organischem Baumwachs herge-stellt, das altern kann.

Achromat, links zusammengesetzt, rechts geöffnet

Die Alterung von Kanadabalsam verläuft nicht linear. Es scheint Abhängigkeiten von der Nutzungsintensität (Wechsel Wärme / Kälte), der Lagerung und der Materialqualität zu geben. Man findet vor 1914 gefertigte Zeiss und Goerz Gläser mit gut erhaltener, fast neuwertiger Verkittung. Stark genutzte Militär- und Jagdgläser zeigen oft an der Auglinse eine Alterung der Verklebung mit sehr feiner Bläschenbildung. Diese Bläschen sind mit Lupe und bei Bewegung des Objektives gegen eine helle Lichtquelle erkennbar. Dadurch entsteht Streulicht und Unschärfe, meist verstärkt durch feine Kratzer und Putzspuren auf der Auglinse. Die Fernglasleistung kann erheblich gemindert werden. Verkittungen können sich lösen, oft mit Gelbfärbung oder Regenbogenschimmer im Ablös-ungsbereich. Meist bleibt dann eine Verfärbungen an der abgelösten Glasseite (Spaltkorrosion?). Bei dünnen Verkittungen können rundliche 'Vakuum-Blumen' auftreten.

Auglinse links, mit beginnender Ablösung im oberen Bereich.

Objektiv rechts, mit blumenförmiger Ablösung der Verkittung.

Gelegentlich entsteht auch Glaspilz in der Verkittung. Alterung von Kanada-balsam kann zu leichter Gelb- oder Braunfärbung des Bildes beitragen, aber auch zur Minderung der Schärfe und Eintrübung führen. Um alte hochwertige Ferngläser wieder in ursprünglicher Form erleben zu können ist eine Neuver-kittung der Achromate empfehlenswert (Objektiv, meist Okular-Auglinse, ggf. auch andere Okularlinsen). Das ist jedoch mit einem gewissen Aufwand verbunden.

 

Früher waren Achromate mit heißem Kanadabalsam verkittet. Die Linsen wurden auf einem Heizteller erwärmt, mit einem Tropfen heiß flüssigem Kanadabalsam versehen und und anschließend einen Moment zusammen gedrückt. Nach dem Abkühlung war die Verbindung fest. Kanadabalsam ist heute auf dem Markt praktisch nur flüssig für Mikroskopie-Präparate erhältlich. Dieses kalt flüssige Kanadabalsam ist für Verkittungen weniger geeignet, oder dient als Notlösung. Transparenz, Farbneutralität und Verarbeitbarkeit sind deutlich schlechter als bei heiß flüssigem Kanadabalsam oder modernen UV Klebern. Hinzu kommt jahrelange Trockenzeit bis das Lösungsmittel vollständig ausdiffundiert.

 

Wichtig für Neuverkittungen ist ein dem Kanadabalsam ähnlicher Brechungs-index. In älteren Veröffentlichungen wird der Brechungsindex nd von Kanada-balsam mit 1,515 bis 1,53 angegeben. Der Wert korrespondiert mit dem von Kronglas nd: 1,52 (Kronglas meist auf einer Achromatseite verwendet, Flintglas, nd: 1,62 auf der Gegenseite). 

 

Breitband-Optikkleber haben meist einen etwas höheren Brechungsindex z.B. Norland 60 mit nd1,56. Das kann bei Neuverkittungen mehrerer Achromate innerhalb einer Optik zu einem schwachem Schimmer und erhöhter chromat-ischer Aberration führen. Verkittung höherwertiger Porro II Prismen (BaK4 mit etwas höheren Brechungsindex) kann damit hingegen sinnvoll sein. Versuche mit Norland Optical Adhesive 65 (Brechungsindex nd: 1,52) bringen bei Achro-maten alter Zeiss Ferngläser sehr gute Ergebnisse. Auch der Kontrast ist besser als z.B. bei einem Kleber mit Index nd 1,56.

 

Verkittungen sollten nach heutigen Standard (UV Optik-Kleber) mit 1– 3 hund-ertstel Millimetern sehr dünn sein. Möglicherweise waren frühere Verkittungen mit Kanadabalsam jedoch etwas dicker. Zu dicke Verkittungen können sich nachteilig auf die Optik auswirken. Durch mechanischen Druck auf den neu zusammengesetzten Achromat wird der noch flüssige Kleber zwischen den Linsen so weit herausgepresst, dass nur eine dünne Kittschicht unter 5 hund-ertstel Millimetern übrig bleibt. Anschließend kann der Achromat unter UV Licht aushärten.

 

Bei sorgfältiger Arbeit ist das Ergebnis solcher Neuverkittungen überraschend.

Ein überholtes Fernglas unterscheidet sich deutlich von dem gealterten Original. Bei hochwertigen Ferngläsern wie Zeiss, Leitz, oder Goerz wird verständlich welche Qualität damals möglich war, gerade was Klarheit, Brillianz und Kontrast angeht. Man kann alte Ferngläser annähernd im Neuzustand erleben.

 

Neuverkittung von vergüteten Ferngläsern sollte sorgsam abgewogen werden. Gerade frühe, und noch empfindliche Vergütungen der 40er und 50er Jahre leiden unter mechanischer Beanspruchung der Neuverkittung. Bei Beschädig-ung der Vergütungen kann es trotz Neuverkittung auch zur Verschlechterung des Fernglasbildes kommen.

Ein verkratztes Okular von außen (links) und von der Innenseite (rechts). Feinere Kratzer sind erst unter der Lupe zu erkennen. Häufige Reinigung mit verschmutzten Tüchern verursacht dichte Kratzernetze, die die Durchsicht hindern und Streulicht erzeugen. Es entsteht ein unscharfes, nebliges und leicht gelbliches Bild.

Eine Verbesserung kann auch oft mit dem Polieren verkratzter Auglinsen erreicht werden. Auglinsen sollte man sich mit der Lupe bei unterschiedlichem Lichteinfall genau ansehen. Auf den ersten Blick intakt erscheinende Okulare, haben bei genauem Hinsehen oft viele feine Kratzer, eine Ursache für gemin-derte Fernglasleistung. Im demontierten Zustand sind Kratzer von der Okular-Rückseite im Gegenlicht gut zu erkennen. Das Auspolieren von Kratzern sollte bei vergüteten Linsen sorgfältig abgewogen werden. Es gehen dabei doch mehrere Prozent Lichttransmission verloren.

 

Für den Poliervorgang ist es hilfreich, wenn die Linse frei liegt oder ausgebaut ist. Ceroxid (Ceriumoxid, sehr feines Pulver) ist für optische Linsen ein geeignet-es Poliermittel. Brillenputztücher einer namhaften Brillenoptiker-Kette können als Poliermittel-Träger verwendet werden.

Das Polieren verkratzter Linsen braucht etwas Geduld. Die Ceroxid-Wasser-Lösung darf nicht zu trocken und nicht zu nass sein. An der Linsenfassung sollte sich kein löslicher Schmutz befinden, damit keine Kratzer ein poliert werden. 

Der Tuchstreifen wird beim Polieren immer wieder angefeuchtet und gelegent-lich Ceroxid aufgetupft. Bei kreisender Bewegung ist nicht zu viel Druck auszu-üben und das Ergebnis öfter im Gegenlicht zu prüfen. Anfangs verwandeln sich die Kratzer in eine Art 'Kraterlandschaft' (sieht zunächst schlechter aus als zuvor) bis sich die Fläche langsam ebnet und glättet. Je nach Glassorte und Vergütung ist bei Handpolitur ein Zeitraum von 1 - 3 Stunden einzuplanen.

Verkratztes Okular nach auspolieren der meisten Kratzer. Für sorgfältiges Polieren sollte die Auglinse ausgebaut sein.

 

Praktische Hinweise zur Neuverkittung von Achromaten:

 

Zunächst werden die Linsen ausgebaut. Gelegentlich sind auch Fassungen zu öffnen. Ein früher gängiges, platzsparendes und wirtschaftliches Verfahren war Objektiv- und Auglinse einzubördeln, also mit Umlegen des Randes der Fass-ung die Linse mechanisch dauerhaft zu fixieren. Die Einbördelung kann vor-sichtig aufgefeilt und die Linse herausgedrückt werden (i.d.R. nicht eingeklebt nur wachsähnliche Schutz- u. Dichtschicht um Linsenrand)

 

Kanadabalsam-Verkittungen kleinerer Achromate bis ca. 20 mm Durchmesser lassen sich nach ca. 10 Minuten bei ca. 140° Grad Celsius im Backofen leicht trennen. Größere Linsen benötigen ca. 15- 20 Minuten. Wichtig ist, dass die Glasteile nicht plötzlich erhitzt oder abgekühlt werden.

Für Neuverkittung bestimmter älterer Objektive muss die Rand-Einbörtelung im 45° Winkel vorsichtig aufgefeilt werden. Es empfiehlt sich die Linsenoberfläche mit Stoffklebeband zum Schutz vor 'Ausrutschern' abzukleben. 

Auf geöffneten Achromaten lässt sich alter Kanadabalsam i.d.R. gut mit Aceton entfernen. Aceton greift Vergütungen normalerweise nicht an. Vor der Reinigung sollte die nicht zu verkittende Oberfläche markiert werden (z.B. mit einem Punkt Stoffklebeband), um bei ähnlichen Radien Verwechslungen zu vermeiden. Empfehlenswert ist eine sorgfältige Reinigung neu zu verkittender Oberflächen. Gelegentlich halten sich Balsamreste hartnäckig. Sinnvoll ist zusätzliche Reinigung mit einem Tensid und / oder Glasreiniger.

Eine Objektivlinse lässt sich nach 15 minütiger Erwärmung leicht durch seit-liches Verschieben trennen. Altes Kanadabalsam ist auf den Teillinsen als unebene Fläche sichtbar.

Damit sich die Linsen beim Verkitten nicht verschieben und der Achromat später wieder in seine Fassung passt, kann die Fassung selber zum Verkitten genutzt werden. Damit die Linsen nicht festkleben, wird die Fassung vorher mit einem dünnen Ölfilm versehen. Die Linse sollte in der Fassung nicht aushärten, sond-ern sobald der Kleber etwas anzieht, heraus gedrückt werden und dann unter UV Licht weiter aushärten. Damit wird ungewolltes Festkleben an der Fassung (trotz Ölfilm) ausgeschlossen.

Hochwertiger Optik-Kleber der Firma Norland (Bild links).

Als einfache Portionierungs-Hilfe und als Schutz gegen Entmischung des Klebers kann ein kleines Gefäß verwendet werden. Mittels Stäbchen wird der Kleber auf die Linsenoberfläche getropft (Bild mitte).

Als preiswerte und ausreichend starke UV-Quelle zur Aushärtung mehrerer Achromate bietet sich ein Handnagel-Trockner an (Bild rechts)

Aufgefeilte Okular-Fassung mit dem verwendeten Diamantwerkzeug (Bild links).

Wieder eingesetzter Achromat (Bild mitte). 

Nach Einkleben des Achromats und beseitigen von Kleberresten, empfiehlt es sich den Spalt mit Farbe zu dichten und den hochstehenden Glasrand zu schwärzen (Bild rechts).

Zu verkittende Flächen sollten ganz sauber sein (Aceton), Bild links.

Portionierung Kleber auf Linsenmitte, Bild mitte.

Aufsetzen der zweiten Achromatlinse, Bild rechts.

Norland Optikkleber sollte man gut schütteln (ausreichende Durchmischung enthaltener Komponenten). Wegen der Blasenbildung und zur besseren Port-ionierung empfiehlt sich den Kleber in ein kleines Schälchen (z.B. Schraub-deckel) zu geben. Mit einem Stäbchen kann der Kleber dann kontrolliert in die Linsen-Mitte getropft werden. Schälchen und Stäbchen sollten ganz sauber sein. Durch Lagerung im Kühlschrank verlängert sich die Haltbarkeit des Klebers von einem halben Jahr auf etwa 2 Jahre.

 

Nach Auftropfen des Klebers kann die zweite Linse aufgesetzt und angedrückt werden. Für eine ausreichend dünne Verkittung ist längerer Druck auf die Linse notwendig. Stärke und Dauer des Druckes richtet sich nach dem Linsendurch-messer. Eigene Erfahrungswerte sind etwa:

 

Linsen bis 20 mm Durchmesser ca. 2 min. Druck 3 – 15 kg

Linsen 30 – 50 mm mindestens 3 min mit 15 - 30 kg

Linsen ab 50 mm zuvor in Fassung erwärmen auf 70°(dünnflüssiger Kleber)

Kleber verteilt sich zwischen den Linsen, Bild links.

Für ausreichend dünne Verkittung ist längerer Druck nötig, Bild mitte.

Verkittung härtet unter UV-Lichtquelle, Bild rechts.

Bevor der Achromat unter UV-Licht kommt, gegen eine Lichtquelle prüfen ob Blasen oder 'Vakuum-Blumen' zu sehen sind. Der Aufwand die Linsen notfalls wieder zu teilen, von Klebstoff zu reinigen und neu zusammen zu setzen ist vor dem Aushärten gering. (Das trennen von Linsen mit abgebundenem Kleber ist aufwendig und kann in Aceton einige Wochen dauern).

 

Nach ca. 5 Minuten unter UV Nageltrockner hat der Kleber soweit angezogen, dass der Achromat aus der Fassung gedrückt werden kann. Anschließend sollte die Linse noch 15 bis 30 Minuten unter der UV Quelle härten.

Überschüssiger Kleber tritt seitlich zwischen den Linsen aus.

Der überschüssig ausgehärtete Kleber kann einfach abgeschält werden.

Achromat und Fassung können dann von ausgetretenen Kleberresten befreit gereinigt und der Rand geschwärzt werden.

 

Bei aufgefeilter Fassung wird die Linse wieder in ihre Fassung geklebt (etwas Uhu umlaufend auf Linse auftragen). Sinnvoll ist die Fuge zwischen Linse und Fassung mit feinem Farbpinsel schwarz zu füllen bzw. abzudichten.

 

Auf den zweiten Blick

 

Tatsächlich ist der Bereich der Feinkittung wesentlich komplizierter weil weitere Einflussfaktoren hinzu kommen. Dazu gehört beispielsweise, dass Carl Zeiss Jena immer auch wirtschaftliche Erwägungen in die Fertigung einbezog. Vermutlich hat man dort unter Auslastung des 1. Weltkriegs oder in der unmittelbaren Nachkriegszeit begonnen die Verkittung als Toleranzausgleich für beim Schleifen und Polieren etwas unterschiedlich hoch geratene Linsen zu nutzen. Wahrscheinlich hat man dazu auch optische Kontrollverfahren für optimale Verkittungsdicken nicht einheitlicher Linsen entwickelt. 

 

Dr. Hans Seeger sprach die Vermutung aus, dass Zeiss die Linsen in besonderer Weise zusammenmontiert hat, so dass Ferngläser nicht ohne Nachteil auseinander genommen werden können. Es spricht Einiges dafür, dass Weitwinkelokulare der Zwischenkriegszeit  im zusammengebauten Zustand erhitzt und mit dem Feingewinde des Abschlussdeckels solange angezogen wurden bis ein optimales Bild da war, bzw. optimale Kittstärken der Achromate erreicht waren. Entsprechende Überstände von Kanadabalsam an geschwärzten Achromaten bestärken die Annahme (Foto). 

Geöffnete Okularhülse Deltrintem CZJ, Baujahr 1919 mit Auglinse und seitlich aus Kittfuge ausgetretenem Kanadabalsam (Pfeil)

Auch praktische Versuche mit CZJ Achromaten dieser Zeit zeigen dass Neuverkittungen eher problematisch sind. Es besteht die Gefahr zu dünn oder zu dick zu verkitten mit Folgen für  die Randschärfe bis hin zur Unschärfe der ganzen Optik. Einen gewissen Anhaltspunkt für die Stärke einer Verkittung bietet die seitliche Ansichtsbreite und die Restmenge von Kanadabalsam auf Linsenteilen des entkitteten Achromats.

 

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Zunahme der chromatischer Aberration bei unsachgemäßer Neuverkittung. Durch verkehrten Brechungsindex oder falsche Kittstärke kann sich die starke Aberration alter Ferngläser weiter erhöhen. Der Brechungsindex eines zweckmäßigen Optikklebers ist abhängig von den verwendeten Glassorten und letztlich Versuchssache. So kann man mit Norland Optikkleber nd: 1,54 (NOA 68) bei CZJ Handferngläsern der Zwischenkriegszeit sehr schöne Ergebnisse erzielen. Bei nd: 1,52 wirkt die Optik leicht etwas matter oder stumpfer.