3 Ferngläser mit asphärischen Linsen

V. l. n. r.: Deltrentis 8x30, Huet 8x40, Leitz Amplivid 6x24

Von 1932 - 45 wurde von Carl Zeiss Jena ein erstes Fernglas, das Deltrintem 8x30 mit asphärischer Okularlinse in größeren Stückzahlen gebaut.

Durch Einsatz asphärischer Linsen können Optiken kompakter und lichtstärker hergestellt werden. Zur Beschreibung asphärischer Linsen ein Auszug aus dem Aufsatz von Hendrik Hösel: 

'Kein Wunder, dass insbesondere in den letzten Jahren die „Asphäre“ (griechisch: von der Kugelform abweichend) in der Konstruktion von optischen Linsensystemen immer mehr ins Gespräch gekommen ist und zu einer verwirrenden Diskussion um ihre Eigenschaften, Vorteile und Herstellungsverfahren geführt hat. Fast jeder renommierte Hersteller nimmt heute für sich in Anspruch, Asphären bei der Herstellung von optischen Systemen, Beleuchtungsoptiken, Suchern, Ferngläsern, etc. zu verwenden, ohne dass dem Anwender der Nutzen einer solchen Technologie verdeutlicht wird. Allein das Schlagwort „Einsatz von asphärischen Linsenflächen“ scheint zu genügen, um dem Anwender optische Höchstleistung zu suggerieren, ohne dass explizit dargestellt wird, welche Vorteile sich in der Praxis durch ihre Anwendung tatsächlich ergeben. Asphären werden heute Wunderdinge nachgesagt, wobei gerade die Vielzahl der heutigen Fertigungsmethoden und ihre spezifischen Unterschiede im Hinblick auf Qualität es dem Laien unmöglich machen, Unterschiede zu erkennen. (...) Schon lange ist es Tradition, beim Bau von optischen Systemen Bildfehler wie Koma, Astigmatismus, etc. dadurch zu beheben, dass man bildfeldebnende Linsen benutzt, einzeln oder oft in komplizierten Kombinationen  (...) Trotz erhöhten Aufwandes bei Verwendung sogenannter „Kompensationsglieder“ – sammelnde und zerstreuende Linsen miteinander kombiniert – können jedoch, insbesondere bei größeren Linsendurchmessern , die zunehmenden optischen Fehler nicht vollständig kompensiert werden. Zudem steigt das Gewicht durch die erforderliche Anzahl an Linsen zum Teil erheblich. Um diese Nachteile zu beheben, versucht man asphärische Linsen zu verwenden, wobei der Randbereich der sphärischen Linse eine Abweichung von dem Kugelradius erhält und auf diese Weise die Lichtbüschel wesentlich besser in der Bildebene vereinigt werden können. 

Die theoretisch erzielbare bessere Abbildungsleistung der Asphäre scheiterte in der Vergangenheit meistens an den erforderlichen engen Toleranzen, dem enormen Kostenfaktor bei der Produktion, den geforderten großen Radien der Linsen und den entsprechenden Prüfgeräten, die solche minimalen Radienunterschiede überhaupt messen konnten. Viele Jahre vergingen bis Präzisionsprüfgeräte entwickelt wurden, um diese minimalen Formunterschiede des Randbereichs einer asphärischen Fläche exakt messen zu können.

Heute werden verschiedene Techniken bei der Fertigung von asphärischen Linsenflächen angewendet; entsprechend unterschiedlich sind auch die praktischen Ergebnisse (...).'

(Hösel, Hendrik: 2.1 Leica Kompetenz heute: Asphärentechnologie, das Gold einer Optikschmiede. (Internetveröffentlichung) 1997/2004. Seite 1 - 2)

 

in den 50er Jahren wurden Asphären auch für andere anspruchsvolle Weitwinkel-Ferngläser verwendet, darunter wahrscheinlich das Huet 8x40 Marine-Fernglas und vermutlich auch für das Leitz Amplivid 6x24. Die drei unterschiedlichen Ferngläser sollen daher einmal im Zusammenhang vorgestellt werden.

Carl Zeiss Jena (CZJ), Deltrintem 8x30, Baujahr 1932-45, Sehfeld: ca. 150m/ 1000m, Porro I - Prismen, unvergütete Optik.

In den 20er und 30er Jahren waren unvergütete Weitwinkelferngläser mit Erfle-Okular und 6 Gruppen (12 Luft-Glas-Übergänge) bis ca. 40 mm Objektivdurchmesser sehr lichtschwach und weniger alltagstauglich. Ferngläsern mit kleinerem Sehwinkel und einfacherem Kellner Okular konnten mit 5 Gruppen (10 Luft-Glas-Übergänge) hergestellt werden und waren deutlich heller. Dies war Anlass für CZJ ein Weitwinkelfernglas im Format 8x30 mit nur 5 Gruppen zu entwickeln. Mittels einer aus 3 Linsen bestehenden verkitteten Okular-Augenlinse mit einem asphärischem Element zur Feldseite hin, konnte ein damals lichtstärkeres 5-gruppiges Weitwinkel-Fernglas angeboten werden. Für das Alleinstellungsmerkmal von Zeiss waren Kompromisse beim Einblickverhalten nötig.  Hans T. Seeger beschreibt in seinem Buch, Zeiss Handferngläser 1919- 1946, S. 147 den Sachverhalt mit einem Zitat von Horst Köhler, CZJ wie folgt:

'Beobachtet man (...) und läßt (...) die Landschaft im Feldstechergesichtsfeld vorüberziehen, so wird man mit dem (...) Glas eine eigentümliche Bewegung des Vordergrundes gegenüber dem Hintergrund feststellen, (...)'.

Es entsteht der Eindruck einer Art 'Abrollen' des Bildes. Ein wenig von diesem Eindruck stellt sich auch bei den nachfolgenden Huet und Leitz-Glas ein. Die Bildschärfe beim Deltrintem erscheint minimal ungleichmäßig. Nach neuer Verkittung von Objektiv- und Okularlinse ist das Deltrintem für ein unvergütetes Fernglas erstaunlich hell  und weitaus lichtstärker als das Deltrintem vor 1932, oder damalige Konkurrenten wie das Binuxit (Leitz) oder Trinotix (Huet).

Okular Deltrentis 8x30, 1716612 (Baujahr ca. 1936)) mit 5 Gruppen und asphärischer Okular-Augenlinse. Die Augenlinse besteht aus 3 miteinander verkitteten Linsen.

Bild 1, A: Verschraubung Okular Augenseite, B: Okular-Augenlinse, C: Distanzhülse, D: Okular-Feldlinse, E: Gehäuse.

Bild 2, 3 und 4: Okular-Augenlinse entkittet mit asphärischer Linse links

Bild 5: Okular-Augenlinse gedreht, original verkittet und geschwärzt, asphärische Linse rechts 

Huet, Marineglas 8x40, Baujahr 1951 u. 59, Sehfeld ca. 193m/ 1000m, Abbe-König Dachkantprisma, vergütete Optik, Strichplatte, Gewicht ca. 1,5 kg

Das Huet wurde in 2 Serien 1951 und 1959 für die französische Marine gebaut. An Objektiv und Okular befinden sich Dichtungen. Alle Gehäusekanten sind mit kräftigen Gummiarmierungen geschützt. Das Okular lässt sich erst nach Abnehmen der Gummiarmierung mit einer Zange verstellen (schwergängiger Dichtring). Das Sehfeld ist über weite Teile scharf. Das Bild hat einen schwach gelbbraunen Ton. Wie alle Weitwinkel-Ferngläser hat das Huet ein empfindliches Einblickverhalten. Die Gummi-Augenmuscheln geben guten Anhalt für die Augen. Das Blickfeld ist sehr groß, so dass sich eine Art 3D- Effekt einstellt, man hat den Eindruck förmlich 'im Bild' zu stehen. Die Beobachtung mit dem Glas ist spürbar anstrengender als bei kleineren Sehfeldern. In einem Italienischen Internetforum wurde die Verwendung einer asphärischen Linse angesprochen. Beim Schwenken des Huet macht sich ein leichtes 'Rollen' bzw. nicht ganz gleichmäßige Abwicklung des Bildes bemerkbar, wohl als Folge der asphärischen Linse zur Bildkorrektur.  Auf französischen Internet-Plattformen wie naturabuy.fr oder ebay.fr wird das Huet z.Z. ab 350,- Euro gehandelt (10/2016).

 

Leitz, Amplivid 6x24, Baujahr 1956-62, Sehfeld 212m/ 1000m, 2 Spiegel und pentagonales Prisma, vergütete Optik, 365 gr.

Die Entwicklung der Leitz Dachkantgläser begann in den 50er Jahren mit einem Patent von Maximilian Ludewig für ein neues Bildumkehrsystem mit 2 Spiegeln und pentagonalen Prisma. Vervollständigt wurde das neue Fernglas mit einem Weitwinkelokular ebenfalls von Maximilian Ludewig. Mit dem Amplivid entstand bei einem Sehwinkel von 12,1° ein wirklich kleines elegantes Fernglas mit nur 365 gr. Gewicht und 11 cm Kantenlänge. Neben kleineren Abbildungsfehlern im Sehfeld ist auch die recht schwache Lichttransmission von knapp 60% anzusprechen. Nach Schnittzeichnung handelt es sich offenbar um 14 Luft-Glasübergänge, davon 2 aluminiumbeschichtete Spiegel mit jeweils 10% Transmissionsverlust (Fernglastest unter: http://www.allbinos.com/166.1-article-Legendary_binoculars_-_Leitz_Amplivid_6x24.html).

In Literatur und Internet war kein schriftlicher Hinweis auf Verwendung asphärischer Linse(n) beim Amplivid zu finden. Baugröße und Einblickverhalten deuten jedoch darauf hin. Wie beim Deltrintem und beim Huet tritt ein gewisser 'Abrolleffekt' des Bildes ein, der sonst, auch bei stark weitwinkeligen Ferngläsern ohne Asphären nicht zu beobachten ist.

 

Zum Schluss ein Zeitsprung zum aktuellen Svarovski EL 8x32 WB. Anlässlich einer Fotobörse hatte ich Gelegenheit das Svarovski auszuprobieren. Der erste Eindruck war gleich 'da ist eine asphärische Linse verbaut'. Das randscharfe Fernglas mit 8° Sehfeld hat ein ähnliches 'Abrollverhalten' wie das Huet 8x40 oder das Amplivid. Bei der kompakten Bauweise und dem für heutige Gläser recht weitem Sehfeld ist der Einsatz von Asphären nicht unwahrscheinlich, zumal Svarovski mit deren Verwendung bei Teleskopobjektiven und Lampenlinsen wirbt, also Erfahrung vorhanden ist. Svarovski hat den Sachverhalt offenbar bewusst nicht thematisiert, damit keine Fragen im Hinblick auf Qualität und Herstellverfahren aufkommen, und keine Assoziationen zu Ferngläsern mit Asphären minderer Qualität entstehen. Auch anspruchsvollere Hersteller wie Docter und Minox hatten in neuerer Zeit Anläufe mit asphärischen Linsen unternommen. Die wirtschaftliche Fertigung hochwertiger asphärischer Linsen ist offenbar auch heute nicht einfach.